Gemeinsame Stellungnahme zum Ausbau der B 27 zwischen Bodelshausen und Nehren

Gemeinsame Stellungnahme zum Ausbau der B 27 zwischen Bodelshausen und Nehren

10.12.2020

Staatsministerin Annette Widmann-Mauz MdB, Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Tübingen-Hechingen

Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL, Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Balingen

Diana Arnold – CDU-Landtagskandidatin im Wahlkreis Tübingen

Frank Glaunsinger – CDU-Landtagskandidat im Wahlkreis Reutlingen

Dr. Andreas Gammel – Vorsitzender der CDU-Fraktion im Gemeinderat Mössingen

Karl-Heinz Nill – Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbandes Nehren und Mitglied der CDU-Fraktion im Gemeinderat Nehren

Birgit Walter – Vorsitzende des CDU-Gemeindeverbandes Ofterdingen und Vorsitzende der Fraktion der Listengemeinschaft CDU /UWV im Gemeinderat Ofterdingen

 

Der durchgängig vierspurige Ausbau der B 27 ist, neben der Regional-Stadtbahn, das aus verkehrlicher, wirtschaftlicher und städtebaulicher Sicht wichtigste Infrastrukturprojekt der Region Neckar-Alb. Seit nunmehr über 20 Jahren plant das Regierungspräsidium den vierspurigen Ausbau der B 27 zwischen Bodelshausen und Nehren mit der Endelbergtrasse als Bestandteil der wichtigen Nord-Süd-Verbindung zwischen Balingen und Stuttgart. Wir sind der festen Überzeugung, dass diese vordringliche Baumaßnahme des Bundesverkehrswegeplans jetzt endlich realisiert werden muss.

Die Endelbergtrasse muss jetzt realisiert werden

Aufgrund der fehlenden Ortsumfahrung Tübingens mit dem Schindhaubasistunnel sowie der fehlenden Ortsumfahrung Ofterdingens mit Endelbergtrasse bilden sich zwischen Hechingen und Tübingen vielfach lange Staus. Der tägliche Verkehrskollaps kostet Pendlern und Unternehmen seit Jahrzehnten Nerven, Zeit und Geld. Lärm und Abgase belasten insbesondere die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner. Die fehlende Straßeninfrastruktur erzeugt einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden, auch weil große Teile der regionalen Bruttowertschöpfung über die B 27 erfolgen.

Mit dem Wissen um die Bedeutung des Ausbaus hatte sich das Regierungspräsidium die 1998 getroffene Vorentscheidung für die Endelbergtrasse wahrlich nicht leicht gemacht. Der Entscheidung gingen jahrelange Debatten, Initiativen und Prüfungen voraus. Letztendlich gaben vor allem verkehrliche und städtebauliche Aspekte sowie die geringeren Kosten den Ausschlag für diese Trasse. Die mit ihrer Gemarkung betroffenen Kommunen im Steinlachtal haben sich damals für diese Variante inklusive Endelbergtrasse in einem demokratischen Entscheidungsverfahren ausgesprochen.

In den letzten Jahren hat sich der Pendlerverkehr nach Stuttgart und Tübingen deutlich erhöht. Täglicher Stau wie in Ofterdingen oder Tübingen ist die Folge. Auch deshalb wurde die Endelbergtrasse, auf Grundlage des Beschlusses der damaligen rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2003, in den „vordringlichen Bedarf“ des damaligen Bundesverkehrswegeplans aufgenommen. Der in 2016 erneuerte und aktuell gültige Bundesverkehrswegeplan 2030 ordnet die Trasse weiterhin unter der Dringlichkeitsstufe des „vordringlichen Bedarfs“ ein. Im Rahmen der 2017 bis 2019 erfolgten Genehmigungsplanung und Vorbereitung für das Planfeststellungsverfahren wurde die Trassenplanung an die aktuellen fachlichen und rechtlichen Vorgaben angepasst. Dabei wurden erneut alle möglichen Varianten insbesondere unter Berücksichtigung verkehrlicher, wirtschaftlicher und naturschutzfachlicher Aspekte von der zuständigen Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg geprüft und bewertet. Die heute vorliegenden Planungen für die Endelbergtrasse sind daher – entgegen der Behauptung einiger Trassengegner – mehrfach geprüft worden.

Eine mögliche Tunnellösung wurde im Rahmen dieser Prüfungen nicht weiterverfolgt, da städtebauliche, wirtschaftliche und verkehrliche Gründe gegen diese Variante sprechen. Sie würde zu erheblichen Auswirkungen auf die kommunale Bauleitplanung und siedlungsstrukturelle Belange durch Gebäudeabbrüche und Nutzungseinschränkungen von Gebäuden führen. Um den Abbruch straßennaher Gebäude zu vermeiden, müsste der Tunnel kostenaufwändig zweistöckig gebaut werden. Die Investitionskosten lägen um circa 72 % und die Betriebskosten um circa 215 % über denen der als Vorzugsvariante weiter verfolgten „Endelbergtrasse“. Zusätzlich wären mit ihr große Einschränkungen während der Bauphase vor Ort verbunden, da leistungsfähige Umleitungsstrecken nicht vorhanden sind. Aus diesen Gründen spricht sich auch das Bundesverkehrsministerium ausdrücklich für die Endelbergtrasse aus.

Was würde die Ablehnung der Endelbergtrasse bedeuten?

Mit der öffentlichen Auslegung der Planfeststellungsunterlagen in diesem Sommer ist eine neue Debatte um die Endelbergtrasse entflammt. Aus unserer Sicht ist die angestoßene Diskussion über die entscheidungserheblichen Aspekte für den Variantenvergleich ein gutes Zeichen des Willens der Bürgerinnen und Bürger, sich politisch einzubringen. So konnten Bürgerinnen und Bürger ihre Einwendungen schriftlich bis zum 2. Oktober äußern. Nun muss der Straßenbauverwaltung die Möglichkeit eingeräumt werden, die rund 500 Stellungnahmen auszuwerten und zu beantworten. Die Endelbergtrasse im Nachgang zu diesem Fristende grundsätzlich abzulehnen, halten wir aus mehreren Gründen in der Sache für wenig zielführend:

  • Die Endelbergtrasse zum jetzigen, weit fortgeschrittenen Zeitpunkt grundsätzlich abzulehnen und stattdessen andere Varianten zu fordern, heißt konkret: Wir würden mit den Planungen wieder in 1998 anfangen und in 20 Jahren immer noch im Stau stehen. Wer andere Varianten fordert, muss diese Konsequenzen auch offen und transparent kommunizieren.
  • Anders als von den Gegnern der Endelbergtrasse suggeriert, wird diese auch von der Landesregierung unterstützt: Seit 2011 stellt Bündnis 90/Die Grünen mit Winfried Hermann den Landesverkehrsminister in Baden-Württemberg. Auch beim aktuell gültigen Bundesverkehrswegeplan hatte der Minister die Einordnung der Dringlichkeitsstufe des 4-streifigen Neubaus als „Vordringlichen Bedarf“ unterstützt.

Das Bundesverkehrsministerium hingegen ist am Planfeststellungsverfahren nicht beteiligt. Aufgrund der Unabhängigkeit der Planfeststellungsbehörde ist der Versuch der Einflussnahme auf die Abwägung durch Chris Kühn MdB, Daniel Lede Abal MdL und Thomas Poreski MdL mit einem offenen Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, ein reines Lippenbekenntnis.

  • Nachhaltige Politik heißt auch, mittel- und langfristige Zielsetzungen zu verfolgen und entsprechende Projekte auch umzusetzen. Aus unserer Sicht ist es nicht nachhaltig, langjährige Straßenbauprojekte, in die bereits viele Steuergelder geflossen sind und die der Region wichtige Entwicklungschancen bieten, kurzfristig wieder in Frage zu stellen. Wenn demokratisch gefällte Beschlüsse kommunaler Parlamente einige Jahre später ohne neue Sachgründe wieder grundsätzlich in Frage gestellt werden, dann birgt dies die Gefahr, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates verlieren.
  • Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt spielen gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land eine zunehmend wichtige Rolle. Wir wollen, dass es zukünftig nicht nur Ballungszentren in unserem Land gibt, sondern dass auch die ländlichen Regionen für alle Generationen attraktiv und lebenswert bleiben. Grundbedingung dafür, ist eine leistungsfähige und moderne Infrastruktur. In der Region Neckar-Alb ist daher die Anbindung der ländlichen Gemeinden durch die B 27 nach Tübingen und Stuttgart und durch die Regionalstadtbahn, die den Individualverkehr ergänzt, aber nicht ersetzen kann, besonders wichtig.
  • Der durchgängig vierspurige Ausbau der B 27 ist ein zentraler Baustein für die Nutzung leistungsfähiger und überregionaler Verkehrsachsen von Zürich bis München. Diese Achsen bündeln den Verkehr, entlasten die Umgehungsstrecken über Bodelshausen und Nehren und sorgen damit auch für eine langfristige Reduzierung der Verkehrsbelastung der Gemeinden im Neckartal und auf den Härten.
  • Im Rahmen der Argumentation zur Verhinderung der Trasse wird vornehmlich auf den Umweltschutz verwiesen, insbesondere auf den Erhalt von Streuobstwiesen und den Stopp von Flächenversiegelungen. Wir haben Verständnis für diese Argumente, müssen aber feststellen, dass die Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten in den Kommunen im Steinlachtal seit Jahren stark anwächst. Für Siedlungsflächen sowie Industrie – und Gewerbeflächen wurden in den letzten 20 Jahren rund 79 ha (1,6 % der Gesamtfläche) in Mössingen, 39 ha (2,6 % der Gesamtfläche) in Ofterdingen und 26 ha (3 % der Gesamtfläche) in Nehren verbraucht. Im gleichen Zeitraum sind die Verkehrsflächen um nur 9 ha (0,2 % der Gesamtfläche) in Mössingen, 4 ha (0,3 % der Gesamtfläche) in Ofterdingen und 6 ha (0,7 % der Gesamtfläche) in Nehren angewachsen. Hinzu kommen weitere neu geplante Wohngebiete in Mössingen, Nehren und Ofterdingen. Der Zuzug und die Ansiedlung von Industrie und Gewerbe sind wichtig für unsere Kommunen. Wer aber mehr Wohnungsbau und Gewerbe in unseren Gemeinden will, der muss auch die dafür nötige Infrastruktur zur Verfügung stellen. Dabei spielt unter anderem der Schienenbau eine gewichtige Rolle, weshalb die Regional-Stadtbahn Neckar-Alb ein ebenso wichtiges Infrastrukturprojekt für unsere Region darstellt. Neben dem Personennahverkehr müssen wir aber auch den Wirtschafts- und Güterverkehr garantieren, der sich durch die Regional-Stadtbahn nicht entlasten lässt. Auch unsere Industrie- und Handwerksbetriebe sehen wir in Zukunft nicht mit dem Lastenfahrrad die Schwäbische Alb auf- und abfahren.

Die Zukunft der Mobilität sieht anders aus: Wir setzen auf erneuerbare Antriebstechnologien, auf Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie. Mit dem „Umweltbonus“ von bis zu 6000 Euro für Käuferinnen und Käufer eines Elektro- oder Brennstoffzellenautos, steuerlichen Anreizen für E-Autos und einer umfangreichen Strategie zur Förderung und zum Ausbau der Ladeinfrastruktur will die Bundesregierung ihr ehrgeiziges Ziel von sieben bis zehn Millionen zugelassenen Elektrofahrzeugen in Deutschland bis 2030 erreichen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung erst kürzlich mit der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ Investitionen von mehr als 9 Milliarden Euro in den Bau von Wasserstoffanlagen beschlossen unter anderem um die schnelle Einführung des Wasserstoffantriebs insbesondere bei Bussen und Lastwagen voranzutreiben.

Klar ist aber auch, E-Autos und Lastwagen mit Wasserstoffantrieb können nicht auf Schienen fahren. Um der erneuerbaren Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen, braucht es die nötige Straßeninfrastruktur. Die aktuelle Verkehrssituation in Mössingen, Ofterdingen und Nehren kann also auch im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes nicht befriedigend sein. Insbesondere verstärkt das tägliche Stop-and-Go-Fahren die Umweltbelastung erheblich und setzt deutlich mehr Treibhausgasemissionen frei – ein Umstand, der die Notwendigkeit einer schnellen Verkehrsentlastung unterstreicht.

Als Vertreter der CDU erhoffen wir uns in den kommenden Wochen und Monaten eine sachliche Diskussion über den Ausbau der B 27, bei der nicht nur Forderungen gestellt, sondern auch die Folgen dieser Forderungen transparent und ehrlich kommuniziert werden. Jeder der wollte, konnte seine Einwendungen kundtun. Jetzt müssen wir der Straßenbauverwaltung die Möglichkeit geben, diese auszuwerten und zu beantworten. Liegen die Rückäußerungen der Straßenbauverwaltung der Planfeststellungsbehörde vor, wird die Planfeststellungsbehörde über das weitere Vorgehen entscheiden und gegebenenfalls einen Erörterungstermin einberufen.

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